Skripal: Die britische Polizei steht mit leeren Händen da
Es sei ein sehr ungewöhnlicher und komplexer Fall. Trotz immensem Aufwand gibt es keine Spuren, Russland wird im neuesten Zwischenbericht nicht einmal erwähnt
Am Dienstag hat die britische Polizei einen erneuten Bericht über die Ermittlungen im Fall Skripal veröffentlicht. Er zeigt vor allem, dass mit großem Aufwand bislang wenig herausgebracht wurde. Die Täter des Anschlags mit dem Nervengift bleiben im Dunklen, von irgendwelchen Spuren, die nach Russland reichen, ist nicht die Rede.
Das überführt letztlich die britische Regierung, die die Schuldigen aufgrund angeblicher alternativenloser Plausibilität in Russland und auch im Kreml verortete, ebenso wie die Regierungen, die sich hinter die Beschuldigungen stellten. Offenbar musste die Bundesregierung wenigstens im Geheimen vor dem Parlamentarischen Kontrollausschuss zugestehen, keine Beweise von der britischen Regierung erhalten oder selbst etwa durch die deutschen Geheimdienste erhalten zu haben, die über die Erkenntnis hinausgehen, dass für den Anschlag Nowitschok benutzt wurde (Bundesregierung hat keinerlei Beweise für Skripal-Fall). Bislang unterminieren die westlichen Regierungen, die sich hinter die Schuldzuweisung der britischen Regierung gestellt haben, das Vertrauen in die Institutionen weitaus stärker, als dies eine Desinformationskampagne von außen vermöchte.
Warum das angeblich so gefährliche Nervengift nicht tödlich wirkte, bleibt ebenso unbeantwortet wie seine Herkunft. Dass die britischen Behörden weiterhin die beiden Skripals, die sich mittlerweile erholt haben, von der Öffentlichkeit fernhält, angeblich auf eigenen Wunsch, mindert das Misstrauen nicht gerade, das durch fehlende Beweise oder auch nur Hinweise auf die Anklage der britischen Regierung verstärkt wird.
Die Metropolian Police ergeht sich in ihrem Bericht vornehmlich über die Nachweise, wie umfangreich die Ermittlungen waren, nämlich mit die größten und komplexesten der britischen Antiterror-Polizei. Abgesehen davon, dass das Nervengift wahrscheinlich auf der Türklinke angebracht wurde, wo vermutlich Sergei und Julia Skripal sowie der Polizist Nick Bailey damit in Kontakt kamen, wurde nicht viel mehr ermittelt, obgleich schon drei Monate 250 Detektive den versuchten Mordanschlag untersuchten. Jetzt würden weiterhin noch 100 Antiterror-Offiziere in Salisbury bleiben, um die vorhandenen Hinweise zu sichten und jeder Spur zu folgen. Bislang seien 1230 Offiziere von zusätzlichen 40 Einheiten an dem Einsatz beteiligt gewesen sein, eine große Zahl sei für die eher zwecklosen, aber demonstrativen Absperrungen eingesetzt worden. Allein der Wiltshire Police soll dies bereit 7,5 Millionen Pfund gekostet haben.
176 Hausdurchsuchungen seien durchgeführt worden, 900 Vernehmungen von Zeugen wurden aufgezeichnet. 4000 Stunden Videos von Überwachungskameras wurden gesichtet. Die Polizei habe versucht, alle Fußgänger, Radfahrer und Autos zu identifizieren, die an den Orten zur verdächtigen Zeit gewesen sind. 14000 Autos und 2500 Fußgänger seien nach ihrer Bedeutung bewertet und eingestuft worden. 2300 Gegenstände seien im Laufe der Ermittlungen sichergestellt worden, 851 wurden im Defence Science and Technology Laboratory in Porton Down gelagert, das 190 Untersuchungen durchführte. Man habe Befragungen an 389 Adressen durchgeführt und Flugblätter verteilt. Ziemlich beeindruckend und teuer, aber vergeblich.
Ist die Polizei unfähig oder sind die Täter so geschickt?
Muss man daraus schließen, dass die Polizei unfähig ist, auf die Spur der Täter zu kommen, oder dass die Täter so gewieft waren, sich so zu verhalten, dass sie nicht entdeckt werden können. Wobei sie andererseits ein angeblich sehr reines, hoch konzentriertes Gift verwendeten, das aber nicht wirkte, wenn man davon ausgeht, dass das Ziel des Anschlags der Tod der beiden oder von Sergei bzw. Julia war. Stimmt, auch das ist bislang nicht herausgekommen, was ganz entscheidend wäre. Sollte der einstige Doppelagent getötet werden oder seine Tochter? Und wenn beide, was könnte das Motiv sei?
Die Polizei gibt keine Vermutungen und keine Hinweise. Dean Haydon, der Nationale Koordinator für Terrorismusbekämpfung, sagt, es sei halt ein "sehr ungewöhnlicher Fall im Umfang und in seiner Komplexität. Man habe von Beginn an gesagt, dass das seine Zeit brauche. Die wollte sich die britische Regierung im Verein mit den anderen Regierungen, inklusive der deutschen, nicht nehmen.
Natürlich sagte Haydon, es gebe "eine Reihe von Ermittlungsrichtungen", die man verfolge, aber jetzt noch nicht diskutieren könne. Man steht mit leeren Händen da, darf das aber nicht so sagen. Die britische Regierung, die sich als Urheber von Fake News und Desinformation erwiesen hat, duckt sich weg und hofft vermutlich, wohl nicht zu Unrecht, dass das Thema aus der öffentlichen und medialen Aufmerksamkeit verschwindet und von anderen Themen überlagert wird. Das sollte man aber nicht zulassen, zumal in Zeiten des Konflikts, in dem nur die gegnerische Seite der Desinformation beschuldigt wird.
Leider aber ist es so, dass einmal mit Nachdruck verbreitete "Informationen" im Bewusstsein hängenbleiben, auch wenn diese später widerlegt werden. Das machen sich zunehmend die Regierungen und ihr Propagandaabteilungen, in Deutschland "Presse- und Informationsamt der Bundesregierung" genannt, zu eigen (siehe auch Auswärtiges Amt: Kriegsmarketing statt Friedensdiplomatie?). Es ist langweiliger, steile Behauptungen skeptisch zu betrachten, als immer wieder neue zu erstellen. Unabhängige Aufklärung, die nicht dem Lagerdenken anheimfällt, hat kein gutes Standbein. Das freilich ist nicht nur in der Politik so, sondern etwa auch in der Wissenschaft. (Florian Rötzer)
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