vrijdag 11 maart 2016

Jakob Augstein

S.P.O.N. - Im Zweifel links: Die verwundete Demokratie

Eine Kolumne von 

Die Rechten sind auf dem Vormarsch. Ihr Erfolg ist auch eine Antwort der Gesellschaft auf eine Krankheit des Kapitalismus, die von den etablierten Parteien ignoriert wird. Und die hat mit den Flüchtlingen nichts zu tun. 


Die AfD überrollt Deutschland. Wir erleben eine Revolution. Und wie jede Revolution hat auch diese ihre Berechtigung: Der Kapitalismus ist krank. Irgendjemand muss ihn heilen. Medien und Politik tun sich schwer, das zu erkennen. Sie müssten ihr eigenes Verschulden zugeben: Jahrzehntelang klatschten sie Beifall, während der Neoliberalismus unsere Gesellschaften vergiftet hat. 

Leute wie Donald Trump und Frauke Petry sind widerlich. Aber sollten wir ihnen nicht sogar dankbar sein, wenn sie uns zeigen, wo unser System Symptome einer ernsten Erkrankung aufweist?
Bad Karlshafen ist kein Name, den man sich merken muss. Außer für eine politische Sensation: 22,3 Prozent hat die AfD dort am Sonntag bei den Kommunalwahlen geholt. Mehr als SPD oder CDU. Es ist ein Zeichen, wie sehr unsere Demokratie verwundet ist.
In den USA verfügen die 400 reichsten Bürger mittlerweile über so viel Vermögen wie die unteren 61 Prozent der US-Bevölkerung. Das Jahreseinkommen einer Durchschnittsfamilie sank dagegen in den vergangenen 20 Jahren um fast 5000 Dollar. Für Deutschland hat der Paritätische Wohlfahrtsverband gerade in seinem neuesten Armutsberichtmitgeteilt, dass 15,4 Prozent der Deutschen unterhalb der Armutsschwelle leben. Das sind mehr als zwölf Millionen Menschen.

Ressentiments und Systemkritik

"Die Verteilungsgerechtigkeit, der oberste Grundsatz jeder seriösen Steuerpolitik, wird bei der Distribution des erwirtschafteten Sozialprodukts krass missachtet", schrieb der Historiker Hans-Ulrich Wehler vor zwei Jahren und fragte: "Wie viel Krisendruck muss es geben, damit dieses Land wirklich reformfähig wird?"
Den Linken ist es nicht gelungen, diesen Krisendruck zu erzeugen. 
Vielleicht gelingt es nun den Rechten. Der Hass auf Ausländer gibt der Bewegung ihre Kraft. Aber zum Ressentiment gesellt sich die Systemkritik. AfD-Mann Björn Höcke ist ein völkischer Hetzer. Aber er hat Recht, wenn er es "eine Schande" nennt, dass mehr als zwei Millionen Kinder in Deutschland von Armut bedroht sind. Die SPD beklagt das zwar auch. Aber wer glaubt einer Partei, die seit 1998 dreizehn Jahre lang in der Regierung war - und der wachsenden Ungleichheit tatenlos zugesehen hat?
Die Rechten machen die Revolution, zu der die Linken nicht in der Lage waren. Matteo Salvini von der rechtsradikalen ENF-Fraktion im Europäischen Parlament hat die Linken schon in die Rumpelkammer der Geschichte verbannt. Er tönt, nicht die Linken, sondern die Rechten seien heute der "Champion der Arbeiterklasse".

Rechte treiben die Politik vor sich her

Und die Rechten zeigen den Linken, wie eine erfolgreiche politische Bewegung funktioniert. Die Menschen, die die Häuser der Asylbewerber anzünden, sind Verbrecher. Aber täuschen wir uns nicht: Sie sind erfolgreiche Verbrecher. Die Menschen, die ausspucken, wenn die Flüchtlinge an ihnen vorbei zu ihren Quartieren gebracht werden, sind Unmenschen. Aber täuschen wir uns nicht: Ihre Unmenschlichkeit setzt sich durch. Von der Gewalt auf der Straße bis zu den Leitartikeln in der "FAZ" schicken sich die Rechten an, die kulturelle Hegemonie zu erobern.
Was den Linken nach der Finanzkrise misslungen ist, gelingt den Rechten in der Flüchtlingskrise: Es gibt den gewalttätigen Protest auf der Straße, es gibt den politischen Protest, der die Parlamente erobert. Und es gibt den publizistischen Protest, der in den Medien Schützenhilfe leistet. Keiner für sich allein könnte unser politisches System beeinflussen. 
Alle drei zusammen wälzen es gerade um.
Die Rechten treiben die Politik vor sich her. Um dem ausländerfeindlichen Ressentiment nachzugeben, werden die Asylgesetze immer weiter verschärft. Und um dem sozialrevolutionären Druck nachzugeben, erinnert sich die SPD an ihre sozialpolitischen Wurzeln. 

Das eigentliche Problem

Plötzlich fordert Sigmar Gabriel ein "Solidaritätsprojekt" samt Einführung einer Mindestrente. Und plötzlich redet niemand mehr vom "schlanken Staat". Sondern es fällt im Gegenteil den Menschen auf, dass der Abbau des Staates ein Übel war, das es zu korrigieren gilt.
Es waren Politiker und Medien der sogenannten "Mitte", die dem Neoliberalismus Beifall gespendet haben, während er die westlichen Gesellschaften zersetzte. Jetzt tun sie sich schwer, ihren Irrtum zu erkennen. Stattdessen suchen sie ihr Heil im Appell an die Vernunft: "Wir können uns die medial verstärkten Trommelwirbel sparen, die Gereiztheit überwinden und ordentlich nachdenken", schrieb Nils Minkmar: "Man muss lüften, die Temperatur kühlen und bei offenen Fenstern einen Blick auf die Welt wagen." 

Aber neue politische Bewegungen entstehen nicht aus einem Mangel an Konzentration. Und man bekämpft sie auch nicht mit gesundem Menschenverstand. Reale politische Bedürfnisse verlangen nach realen politischen Maßnahmen. Die rechte Revolution prangert das Übel an, das uns der entgrenzte Kapitalismus beschert hat. 
Schöner wäre es, wenn die sogenannten etablierten Parteien die Warnung der Wähler endlich ernst nähmen - und das eigentliche Problem Deutschlands lösen würden: die Gerechtigkeitslücke. 
Mit Flüchtlingen hat das alles überhaupt nichts zu tun.


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