zondag 2 juli 2023

Der Abgang der USA aus dem Ukraine-Abenteuer?

 Umsetzung des RAND-Papiers

Der elegante Abgang der USA aus dem Ukraine-Abenteuer?

Langsam wird klar, wie die USA aus dem Ukraine-Abenteuer rauskommen wollen, ohne vor der Öffentlichkeit das Gesicht zu verlieren. Ob die Rechnung aufgeht, ist jedoch fraglich.

Ich berichte immer wieder darüber, dass sich die Anzeichen häufen, dass das RAND-Papier vom Januar umgesetzt wird. In dem Papier hat die RAND-Corporation der US-Regierung empfohlen, einen Ausweg aus dem Ukraine-Abenteuer zu suchen, denn die Ziele, die die USA in der Ukraine verfolgt haben (Russland wirtschaftlich zerschlagen, international isolieren und die russische Armee entscheidend schwächen) wurden nicht erreicht.

Stattdessen mussten die USA die Ukraine mit inzwischen über 100 Milliarden Dollar unterstützen und ein Ende ist nicht abzusehen, während die USA in dem Konflikt nichts zu gewinnen haben, denn – so RAND – wo die Grenzen der Ukraine verlaufen, ist für die USA unwichtig und die ungeheuren Kosten nicht wert. Ich berichte seit Februar über dieses Papier und die Anzeichen dafür, dass es offenbar umgesetzt wird.

Das Problem

In dem RAND-Papier wurde das größte Problem genannt, dass dieser Politikwechsel gegenüber der Ukraine mit sich bringt:

„Eine dramatische Änderung der US-Politik über Nacht ist politisch unmöglich – sowohl innenpolitisch als auch gegenüber den Verbündeten – und wäre in jedem Fall unklug.“

Die USA müssen also einen Weg finden, die anstehende 180-Grad-Wendung sowohl innenpolitisch als auch den Verbündeten gegenüber zu erklären. Schließlich könnte selbst in Brüssel, das eigentlich jede Entscheidung Washingtons – auch zum eigenen Schaden – gehorsam umsetzt, die Frage aufkommen, wozu man all die Milliarden aus dem Fenster geworfen und die eigene Energieversorgung und Wirtschaft an die Wand gefahren hat, wenn man am Ende gegenüber Russland klein beigeben muss.

Der Westen kann nicht mehr

Nur zur Verdeutlichung ein paar Fakten, die erklären, warum der US-geführte Westen aus dem Ukraine-Abenteuer aussteigen muss. Dass die Waffenarsenale des Westens ziemlich leer sind, ist allgemein bekannt und bekannt ist auch, dass die westliche Rüstungsindustrie nicht so schnell produzieren kann, wie Kiew Waffen verbraucht. Von einer Auffüllung der westlichen Arsenale gar nicht zu reden.

Deutschland soll beispielsweise bereits mitgeteilt haben, keine Waffensysteme mehr an die Ukraine schicken zu wollen, sondern sich stattdessen auf Reparatur und Wartung der schon gelieferten Waffensysteme konzentrieren zu wollen.

Auch beim Geld sieht es schlecht aus. Gerade wurde gemeldet, dass sich die westliche Hilfe für die Ukraine auf inzwischen 170 Milliarden Euro summiert hat. Wenn man bedenkt, dass der Staatshaushalt der Ukraine vor der Eskalation etwa 40 Milliarden betragen hat, versteht man auch, dass unglaublich viel Geld in dunklen Kanälen versickert ist, denn laut den Meldungen sind 50 Prozent der Gelder (also etwa 85 Milliarden Euro) Finanzhilfen für den ukrainischen Staatshaushalt. 

Das übersteigt den Finanzbedarf des ukrainischen Haushaltes bei weitem, denn die militärische Hilfe des Westens kommt oben drauf. Da die Ukraine trotz allem immer noch Steuereinnahmen hat, dürften – grob geschätzt – 40 Milliarden Euro veruntreut worden sein. Das ist eine unglaubliche Summe, aber es ist einfache Mathematik, die jeder leicht nachrechnen kann.

EU-Kommissionschefin von der Leyen hat nun mitgeteilt, dass die Reserven des EU-Haushaltes, der bis 2027 gilt, komplett an die Ukraine gegangen sind. Die EU hat kein Geld mehr und von der Leyen fordert von den Mitgliedsstaaten, 66 Milliarden Euro nachzuschießen. Die EU hat sonst kein Geld mehr für die Ukraine.

Gegen diese Forderung zur Nachzahlung gab es bereits Protest aus einigen EU-Mitgliedsstaaten. Ob von der Leyen von denen Geld bekommt, steht in den Sternen.

Und auch die von den USA dominierte Weltbank ist anscheinend klamm, denn sie scheint auch kein eigenes Geld für die Ukraine mehr zu haben. Sie lässt sich ihre Ukraine-Programme inzwischen von Mitgliedsstaaten wie zum Beispiel Japan garantieren.

Der US-geführte Westen muss also einen Weg finden, aus dieser Ukraine-Misere ohne Gesichtsverlust herauszukommen.

Die Lösung

Nun scheint sich abzuzeichnen, was die US-Regierung vor hat. Wenn ich mit meiner Vermutung richtig liege, ist der Trick mal wieder furchtbar einfach: Um nicht eingestehen zu müssen, dass der US-geführte Westen gegen Russland klein beigeben muss, soll Kiew den Schwarzen Peter zugeschoben bekommen.

Darauf deutet das geheime Treffen in Kopenhagen hin, das an die Medien durchgestochen wurde. Die Version ist, dass Kiew angeblich zu dem Treffen geladen hat, um den globalen Süden – und dabei vor allem Mitglieder der BRICS – auf die Seite von Kiew (also des US-geführten Westens) zu ziehen. Dass das nicht funktionieren würde, war absehbar und so ist es ja auch gekommen. Trotzdem ist die Rede davon, dass demnächst Friedensgespräche auf der Basis von Selenskys „Friedensformel“ stattfinden sollen.

Der spanische Ministerpräsident sprach sogar davon, die EU wolle eine „Weltkonferenz zum Frieden in der Ukraine“ abhalten, was eine sehr bemerkenswerte Aussage ist, wenn man bedenkt, dass die EU offiziell immer noch das Gegenteil verkündet, nämlich die Ukraine im Kampf gegen Russland „so lange zu unterstützen, wie es nötig ist.“ Aus dem offiziellen Brüssel ist von einer „Weltkonferenz zum Frieden in der Ukraine“ bisher nichts zu hören.

Natürlich werden diese Gespräche keinen Erfolg haben, weil Russland über Selenskys „Friedensformel“ nicht reden wird. Aber an den Erfolg glaubt ohnehin niemand, der Sinn dürfte ein anderer sein: Man will die Öffentlichkeit (und auch die radikalisierten westlichen Politiker) mit dem Gedanken vertraut machen, dass es zu Friedensgesprächen mit Russland kommen wird.

Das Narrativ, man müsse Russland „auf dem Schlachtfeld besiegen“, scheint sich in Anbetracht der fatalen ukrainischen Gegenoffensive erledigt zu haben. Das zumindest legen die Meldungen aus ernstzunehmenden westlichen Medien nahe, zu denen die deutschen Medien übrigens nicht gehören, weil sie bei solchen Gelegenheiten immer die letzten sind, die den Kurswechsel übernehmen. Man sollte sich besser bei US-Medien informieren, anstatt bei Spiegel, Tagesschau und so weiter, wenn man zumindest einen kleinen Eindruck von dem bekommen will, was tatsächlich vor sich geht.

Kurz gesagt: Offenbar wollen die USA Kiew dazu drängen, Gesprächen mit Russland zuzustimmen, damit der Westen sagen kann, er habe damit nichts zu tun, das sei Kiews Entscheidung, aber man unterstütze Kiews Entscheidung natürlich.

Die Anzeichen

Man ist sich im Westen natürlich darüber im Klaren, dass es ganz so einfach nicht. Erstens muss man Kiew irgendetwas bieten (und sei es auch nur pro forma und in leeren Worten), wenn man sich nicht international blamieren will, und zweitens muss man Russland entgegen kommen.

Beginnen wir mit Kiew.

Das Kiewer Regime will in die NATO, allerdings scheint das inzwischen unrealistisch geworden zu sein, weil Russland dem niemals zustimmen wird, was ja letztlich der Grund für die Eskalation im letzten Jahr war. Solange ein NATO-Beitritt der Ukraine auf der Tagesordnung bleibt, wird Russland seine Militäroperation nicht anhalten.

Sowohl die RAND-Corporation hat sich in ihrem Papier faktisch von Kiews NATO-Mitgliedsschaft verabschietet, wie auch die NATO selbst. Die Aufnahme der Ukraine in die NATO müsste einstimmig erfolgen, was unwahrscheinlich war und angesichts der militärischen Lage heute vollkommen unrealistisch ist.

Das hat auch NATO-Generalsekretär Stoltenberg inzwischen offen gesagt. Am Mittwoch sagte er auf einer Pressekonferenz, dass der Sieg der Ukraine im Konflikt mit Russland eine Voraussetzung für jede Diskussion über die NATO-Mitgliedschaft des Landes sei. Da ein militärischer Sieg der Ukraine inzwischen ausgeschlossen ist, war das eine klare Absage an eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine, auch wenn es nicht offen gesagt wurde.

Daher werden seit einiger Zeit diverse Varianten von Sicherheitsgarantien für die Ukraine besprochen. Dass die USA Kiew die sogenannte israelische Lösung vorgeschlagen haben, hat sogar Kiew schon bestätigt, obwohl US-Außenminister Blinken einer Frage danach ausgewichen ist.

Allerdings dürfte das kaum ausreichend sein, weshalb noch andere Ideen im Gespräch sind. Jetzt wurde gemeldet, dass sogar die EU über eigene Sicherheitsgarantien für die Ukraine diskutiert, die bis zu einer „Entsendung von Militärmissionen“ in die Ukraine reichen. Abgesehen davon, dass Russland dem niemals zustimmen wird, weil es eine neutrale Ukraine ohne ausländische Soldaten im Land fordert, sind auch EU-Staaten dagegen. Österreich, Irland, Zypern und Malta sind neutrale Staaten, die darauf verweisen, dass ihr neutraler Status es ihnen verbietet, bei so etwas mitzumachen.

Trotzdem scheint das Thema heißt diskutiert zu werden, denn belgische Medien melden, dass in Brüssel derzeit „wöchentlich“ neue Ideen für Sicherheitsgarantien auf den Tisch kommen.

Hinter den Kulissen passiert also einiges, worüber deutsche Medien ihre Leser nicht informieren.

Was kann der Westen Russland bieten?

Wenn meine Vermutung stimmt, versuchen die USA, sich aus den Verhandlungen rauszuhalten und stattdessen früher oder später direkte Verhandlungen zwischen Kiew und Moskau stattfinden zu lassen. Das hätte für die USA den Vorteil, dass Russland bei den Verhandlungen vom Westen nichts fordern kann, weil der Westen gar nicht mit am Tisch sitzt.

Da man in Russland aber überzeugt ist, dass Russland mit dem US-geführten Westen im Krieg ist, dürfte diese Rechnung der US-Regierung nicht aufgehen. Was Russland alles von den USA und der NATO fordern dürfte, habe ich hier zusammengefasst.

Der russische Außenminister Lawrow hat sich gerade erst in einem Interview dazu geäußert und gesagt:

„Der Präsident hat mehrfach gesagt, dass wir für eine Zusammenarbeit offen sind. Aber was unsere früheren westlichen Partner betrifft, so können wir uns nicht auf Vereinbarungen mit ihnen verlassen, auch nicht auf solche rechtlicher Art.“

Im Klartext bedeutet das, dass Russland dem US-geführten Westen rein gar nichts mehr glaubt, nicht einmal, wenn es vertraglich festgelegt wird. Der Westen hat einfach schon zu viele Verträge mit Russland gebrochen.

Der Westen wird also etwas handfestes leisten müssen, um Russland zu signalisieren, dass es dem Westen ernst ist. Hier könnte man als erste Schritte beispielsweise die Aufhebung wichtiger Sanktionen und die Freigabe der eingefrorenen russischen Guthaben nennen. Aber auch das könnte Russland nicht reichen, schließlich kann der Westen, sobald Russland dem Westen in der Ukraine entgegen gekommen ist, die Sanktionen wieder einführen. So haben die USA es schließlich mit dem Iran gemacht, als sie das Atomabkommen mit dem Iran zerrissen haben.

Direkten Verhandlungen mit Russland wird der Westen wohl nicht entkommen können. Kiew vorzuschicken und so zu tun, als handele es sich um ein Problem zwischen Kiew und Moskau, mit dem der Westen nichts zu tun hat, dürfte nicht funktionieren.

Fazit

Vieles ist noch spekulativ, aber die Lage ist eindeutig. Der Westen ist am Ende seiner Kräfte und hinter den Kulissen scheint es viel Bewegung zu geben, was meine Vermutung, dass die Ideen aus dem RAND-Papier umgesetzt werden, stützt.

Was am Ende tatsächlich passiert, werden wir sehen. Aber die grobe Richtung scheint sichtbar zu sein und die große Frage ist für mich, was Russland tatsächlich vom Westen fordern wird, damit die Ukraine-Krise beendet werden kann. Schließlich könnte Russland den Westen auch weiter ausbluten lassen, denn Kiew alleine könnte Russland keine Woche Widerstand leisten.

Kiew hat dabei kein Wort mitzureden, denn Kiew ist finanziell, militärisch und sogar politisch vollkommen vom Westen abhängig.


In meinem neuen Buch „„Putins Plan – Mit Europa und den USA endet die Welt nicht – Wie das westliche System gerade selbst zerstört ““ gehe ich der der Frage, worum es in dem Endkampf der Systeme - den wir gerade erleben - wirklich geht. Wir erleben nichts weniger als den Kampf zweier Systeme, in dem Vladimir Putin der Welt eine Alternative zum neoliberalen Globalismus anbietet. Wurden die Bürger im Westen gefragt, ob sie all das wollen, ob sie zu Gunsten des neoliberalen Globalismus auf ihren Wohlstand und ihre Freiheiten verzichten wollen?

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