Ein Riss in der Matrix
Der aktuelle Fall Relotius dürfte im deutschsprachigen Raum einer der größten Journalismus-Skandale der letzten Jahrzehnte sein. Doch den wahren Grund für den langjährigen Erfolg des Protagonisten wird man in den Medien nicht erfahren: Relotius lieferte besten Matrixjournalismus.
Zu seinen bekanntesten Texten zählen (angebliche) Interviews mit dem Graffitibuben, der den Syrienkrieg ausgelöst haben soll; den vor Assad geflohenen Geschwistern, die von Angela Merkel, der »Königin Europas«, träumen; einem Kinderterroristen des IS; dem Guantanamo-Häftling, der das Foltergefängnis der Freiheit vorzieht; Trumps hinterwäldlerischen Wählern; Trumps Migrantenjägern; einem im US-Gefängnis umsorgten dementen Sträfling; sowie diversen Hollywoodstars.
Das ist keineswegs »Linksjournalismus«, wie einige konservative Kommentatoren glauben; das ist klassischer Matrixjournalismus, der sich gerne mal eines rührenden Narrativs bedient.
Seine vielen Auszeichnungen – vom Europäischen Pressepreis bis zum CNN Journalist of the Year – offenbaren dabei einmal mehr, wie es um das abendländische Mediensystem inzwischen steht.
Doch fürs eigentliche Lügen sind hier immer noch die Geheimdienste und Regierungen zuständig: erstere sind kaum belangbar, letztere einfach austauschbar. Eingebettete Medien sollen diese Lügen zwar unkritisch weiterverbreiten, dabei jedoch nicht selbst lügen: denn dies würde ihre Funktion als scheinbar glaubwürdige Kommunikationsinstrumente unterminieren. Wie nun geschehen.
Mit anderen Worten: Hätte Relotius seine erfundenen Syrien-Geschichten statt für den Spiegel für die Schlapphüte geschrieben und den Medien via White Helmets und Aleppo Media Center zugespielt, wäre er wohl heute noch ein gefeierter Star. Nur wüsste die Öffentlichkeit nichts davon.
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