vrijdag 1 juni 2018

Luftrechtsexperte zu MH17: "Die entscheidenden Fragen bleiben unbeantwortet"

Luftrechtsexperte Elmar Giemulla zu MH17: "Die entscheidenden Fragen bleiben unbeantwortet"

Rekonstruiertes Cockpit der MH17. Bild: Dutch Safety Board
Giemulla, der deutsche Hinterbliebene vertritt, sagte in einem Interview mit Sputnik, die Ukraine habe "sehenden Auges das Leben Hunderter von Menschen aufs Spiel gesetzt"
Vor drei Jahren wurde die Passagiermaschine MH17 über der Ostukraine abgeschossen. So weit herrscht bislang Übereinstimmung. Das Gemeinsame Ermittlungsteam JIT, an dem auch die Ukraine beteiligt ist, macht für den Abschuss Separatisten verantwortlich, die mit einem aus Russland gebrachten und möglicherweise von russischen Soldaten bedienten Buk-System das Flugzeug abgeschossen haben sollen. Um die 100 mutmaßlich beteiligte Personen seien ermittelt worden, es fehlen aber offenbar noch stichhaltige Beweise. Das Gerichtsverfahren soll in den Niederlanden durchgeführt werden, nachdem das von der Ukraine geforderte UN-Tribunal aufgrund des Einspruchs von Russland nicht zustandekam. 
Russland widerspricht dem Bericht des JIT und bot unterschiedliche Versionen an (Russlands Verzicht auf MH17-Aufklärung. Zunächst hieß es, es sei ein ukrainisches Kampfflugzeug in der Nähe gewesen, das womöglich zufällig die MH17 abgeschossen habe, aber eigentlich das Flugzeug angreifen sollte, mit dem Putin unterwegs war. Dann wurde geltend gemacht, es habe sich um eine alte Buk-Rakete gehandelt, die in Russland nicht mehr verwendet werde. 
Zuletzt wurden auf Verlangen von JIT primäre Radarbilder vorgelegt, die zufällig wieder gefunden worden seien und die aus Russlands Sicht zeigen sollen, dass keine Buk-Rakete aus dem von den Separatisten kontrollierten Gebiet abgeschossen worden sein könne. Russland und JIT sind überkreuz, ob das Radar eine Buk-Rakete hätte erfassen müssen oder ob sie ihm entgangen sein könne. Wenn auf Radarbildern keine Rakete zu sehen ist, bedeute dies nicht, dass sie nicht da ist, sagen das Gemeinsame Ermittlungsteam und die niederländische Regierung. Aus den Radarbildern, sollten sie nicht manipuliert worden sein, geht allerdings nicht hervor, was sonst der Grund für den Absturz sein sollte (Streit um russische Radarbilder). 
Alternative Radarbilder gibt es nicht. Angeblich waren in der Ukraine just zu der Zeit die Radarsysteme nicht angestellt, weil sie gewartet worden seien. Für Irritation sorgt auch weiterhin, dass der damalige US-Außenminister kurz nach dem Abschuss behauptet hatte, man habe Bilder vom Raketenstart und kenne die Flugbahn. Ob das eine falsche Behauptung war oder mögliche Satellitenbilder nicht veröffentlicht werden, bleibt unklar. Das JIT ist dem auch nicht weiter nachgegangen. 
Ende Dezember 2016 hatten 27 Fachleute und Aktivisten einen Offenen Brief an Donald Trump geschickt und Donald Trump aufgefordert, Bilder freizugeben, die Informationen über den Abschuss des malaysischen Flugzeuges am 17. Juli 2014 enthalten. Unter den Unterzeichnern waren Rechtsexperten und ehemalige Militärs, u.a. auch der Berliner Luftrechtsexperte Elmar Giemulla, der Angehörige deutscher MH-17-Opfer als Rechtsanwalt vertritt. Er sieht die Ukraine für den Absturz als mitverantwortlich an, weil sie den Luftraum nicht gesperrt hatte, und hatte daher Schadensersatzforderungen der Hinterbliebenen gestellt. Ein angeblich nur aus persönlichem Interesse angefertigte Gutachten des Juristen Dr. Norbert Knittlmayer kommt allerdings zum Schluss, dass die Ukraine nicht verpflichtet gewesen sei, den Luftraum zu sperren. 
Jetzt hat Giemulla der russischen Nachrichtenagentur RIA Novosti ein Interview gegeben, das bislang allerdings im Westen keinen Widerhall gefunden hat. Hier wiederholt er den Vorwurf, "dass die Ukraine ihre Verantwortung für den Luftraum nicht hinreichend wahrgenommen hat". So sei einige Tage zuvor eine ukrainische Militärmaschine aus großer Höhe über dem Kriegsgebiet abgeschossen worden. Der Luftraum sei aber nur bis auf die Höhe gesperrt worden, auf der zivile Flugzeuge fliegen: Die ukrainische Regierung habe damit "sehenden Auges das Leben Hunderter von Menschen aufs Spiel gesetzt und hätte die Möglichkeit gehabt, sie zu schützen". Seine Klienten seien auch der Meinung, dass die Ukraine die Katastrophe hätten verhindern müssen. 
Giemulla nimmt auch Stellung zu der Frage, ob es richtig sei, dass die Ukraine an dem Untersuchungsteam beteiligt ist: "Nein", sagte er, "sie hat selbst schwere Fehler gemacht. Die Gefahr besteht, dass die Ukraine auf die Untersuchungen Einfluss nimmt." Die bislang vorliegenden Ergebnisse des JIT bezeichnete er als "vorläufig und bruchstückhaft. Die entscheidenden Fragen bleiben unbeantwortet." 
Zu Russlands Positionen wollte er keine Stellung beziehen. Er geht davon aus, dass kein Interesse daran besteht, den Fall wirtklich aufzuklären: Ich glaube, dass kein Politiker ein Interesse daran hat, dass die Wahrheit ans Licht kommt. Wer immer sich als der Schuldige herausstellen sollte - es würde den Frieden in Europa gefährden. Das will keiner." Er äußerte jedenfalls die Hoffnung, dass die Gerichtsverhandlung in den Niederlanden nicht politisch motiviert sein wird. (Florian Rötzer)

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