dinsdag 26 maart 2024

Die brisanten Corona-Protokolle des RKI

 Veröffentlichung eingeklagt

:Die brisanten Corona-Protokolle des RKI

Britta Spiekermann
von Britta Spiekermann
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Die Protokolle des RKI-Krisenstabs galten als Verschlusssache. Journalisten klagten dagegen. Die Dokumente zur Corona-Pandemie könnten politische Sprengkraft haben.

Vor vier Jahren trat in Deutschland zur Eindämmung der Corona-Pandemie der erste Lockdown in Kraft. 23.03.2024 | 1:28 min
Anmerkung der Redaktion, 25.03.2024: Mittlerweile haben sich Bundesgesundheitsministerium und RKI zu den Protokollen geäußert. Einen aktuellen Beitrag dazu finden Sie hier.
Es sind mehr als 1.000 Seiten, die nach einer langwierigen Klage des Online-Magazins "Multipolar" jetzt öffentlich sind: interne und brisante Besprechungen des Corona-Krisenstabs, meist geleitet vom damaligen Präsidenten des Robert-Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, und dessen Stellvertreter, Lars Schaade, der heute der Chef der Behörde ist, die dem Bundesgesundheitsministerium direkt unterstellt ist.

Protokolle bieten trotz Schwärzungen tiefe Einblicke

Die Protokolle, Tagesordnungen und Teilnehmerlisten wurden kurz vor dem vierten Jahrestag des ersten Lockdowns veröffentlicht. Der am 22. März 2020 verhängte Lockdown führte zu nie dagewesenen Grundrechtseinschränkungen: Kitas und Schulen wurden geschlossen, es galten Besuchsverbote für Altenheime und generelle Ausgangsbeschränkungen. Das öffentliche Leben kam zum Stillstand. 
Was aber passierte hinter den Kulissen? Die Protokolle bieten trotz zahlreicher Schwärzungen, die das RKI vor Herausgabe der Dokumente durchführte, tiefe Einblicke.
Noch immer leidet rund ein Viertel der Kinder und Jugendlichen unter den psychischen Folgen der Corona-Pandemie. Lockdown und Schulschließungen haben ihre Spuren hinterlassen. 24.03.2024 | 3:00 min

Lockdowns - fragwürdige Grundlage, schwere Konsequenzen?

Am 17. März 2020 stuft das RKI die Risikoeinschätzung für die Gesundheit der Deutschen von "mäßig" auf "hoch" herauf. Einen Tag zuvor ist in den Dokumenten vermerkt, die neue Risikobewertung sei vorbereitet worden und solle nun "hochskaliert" werden. "Die Risikobewertung wird veröffentlicht, sobald (Personenname geschwärzt) ein Signal dafür gibt." Den entscheidenden Akteur macht das RKI unkenntlich. 
"Multipolar" zieht aus dieser Schwärzung den Schluss, dass nicht das RKI die Risikobewertung gemacht habe, sondern eine externe Person: "Die Verschärfung der Risikobewertung von "mäßig" auf "hoch" - Grundlage sämtlicher Lockdown-Maßnahmen und Gerichtsurteile - gründete, anders als bislang geglaubt, nicht auf einer fachlichen Einschätzung des RKI, sondern auf der politischen Anweisung eines externen Akteurs."
Das Bundesgesundheitsministerium sagt ZDFheute, dass es sich bei dem geschwärzten Namen um einen Mitarbeiter des RKI handelt. Spekulationen, an dieser Stelle könnten die Namen Angela Merkel oder Jens Spahn stehen, weist das Ministerium demnach zurück. 
Während der Coronapandemie "nur eine einzige Meinung" zuzulassen, hätte „die Spaltung der Gesellschaft“ bis heute mitverursacht, so Armin Laschet, ehemaliger NRW-Ministerpräsident.24.03.2024 | 6:51 min
Die Passage in den Protokollen legt allerdings nahe, dass das RKI die Risikobewertung selbst gemacht und nach dieser das Risiko als "hoch" eingestuft hat. Einzig die Veröffentlichung der Risikobewertung hing demnach von der Freigabe der nicht namentlich genannten Person ab. Das RKI hat sich bisher nicht zu den Protokollen geäußert.
RKI-Files
Die entsprechende Stelle im Protokoll der Krisenstabssitzung "Neuartiges Coronavirus (Covid-19)" am 16. März 2020

Tatsächlich waren zu diesem Zeitpunkt die Fallzahlen in Deutschland erheblich gestiegen - um mehr als 500 Prozent in den vergangenen 14 Tagen: Wurden am 2. März 28 Corona-Fälle registriert, waren es am 16. März - dem Tag der Sitzung - bereits 1.780. In diesem Zeitraum wurden wesentlich mehr Tests durchgeführt, die Positivquote erhöhte sich von sechs auf sieben Prozent.

Im täglichen Lagebericht des RKI zu COVID-19 veröffentlichte das Institut am 19.03.2020 seine neue Risikoeinschätzung. Dort hieß es:

"Es handelt sich weltweit und in Deutschland um eine sehr dynamische und ernst zu nehmende Situation. Bei einem Teil der Fälle sind die Krankheitsverläufe schwer, auch tödliche Krankheitsverläufe kommen vor. Das RKI schätzt die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland derzeit insgesamt als hoch ein. Diese Gefährdung variiert aber von Region zu Region. Die Wahrscheinlichkeit für schwere Krankheitsverläufe nimmt mit zunehmendem Alter und bestehenden Vorerkrankungen zu. Die Belastung des Gesundheitswesens hängt maßgeblich von der regionalen Verbreitung der Infektion, den vorhandenen Kapazitäten und den eingeleiteten Gegenmaßnahmen (Isolierung, Quarantäne, soziale Distanzierung) ab und kann örtlich sehr hoch sein. Diese Einschätzung kann sich kurzfristig durch neue Erkenntnisse ändern."

Quelle: Täglicher Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) vom 19.03.2020

Als am 16. Dezember der zweite Lockdown begonnen hat, vermerkt das RKI mit Blick auf den internationalen Umgang mit Covid-19: "Lockdowns haben zum Teil schwerere Konsequenzen als Covid selbst." Dabei bezog sich das RKI auf Lockdown-Maßnahmen in Afrika.

Maskenpflicht - FFP2 nur für Fachpersonal sinnvoll

In einer Besprechung am 30. Oktober 2020 beschäftigt sich das RKI mit dem Tragen von FFP2-Masken.

FFP2-Masken sind eine Maßnahme des Arbeitsschutzes. Wenn Personen nicht geschult/qualifiziertes Personal sind, haben FFP2-Masken bei nicht korrekter Anpassung und Benutzung keinen Mehrwert.

Corona-Protokoll des RKI vom 30. Oktober 2020

Die Krisenstab-Runde stellt klar: "... es gibt keine Evidenz für die Nutzung von FFP2-Masken außerhalb des Arbeitsschutzes, dies könnte auch für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden." 
Die Öffentlichkeit erfuhr davon jedoch nichts. Im Winter 2020 galt sogar eine strengere Maskenpflicht, auch die FFP2-Maske wurde in verschiedenen Bundesländern verpflichtend.
Masken, Tests, Impfempfehlungen: Wie gut waren die Pandemie-Regelungen? Rund ein Jahr nach dem Ende der letzten Maßnahmen fordert die FDP eine Kommission zur Aufarbeitung24.03.2024 | 3:17 min

Impfstoffe - frühe Zweifel an AstraZeneca

Am 8. Januar 2021 geht das RKI auf die Impfstoffe ein, erklärt, dass bei AstraZeneca "der Einsatz diskutiert werden müsse". 

Kein Selbstläufer wie bei den anderen, da Impfstoff weniger perfekt ist.

RKI am 8. Januar 2021 zum Impfstoff von AstraZeneca

Die Runde notiert, es müsse für AstraZeneca möglicherweise Beschränkungen geben, Daten für ältere Personen seien sehr begrenzt. Nur zwei Monate später, Anfang März, empfiehlt die Ständige Impfkommission (Stiko) den Impfstoff für alle Altersklassen und verweist auf neue Erkenntnisse aus Studien.
Impfungen, Lockdown, Maskenpflicht – es gab viele Maßnahmen, die die Corona-Pandemie eindämmen sollten. Eine Experten-Bilanz.10.07.2023 | 1:32 min

3G-Regel - Bedenken gegen Privilegien für Geimpfte und Genesene

Am 5. März 2021 wird in einer Sitzung des Krisenstabs über die Frage diskutiert, ob das RKI bei seiner bisherigen Haltung bleibe, keine Ausnahmen von den Corona-Regeln für Geimpfte und Genesene zu machen. Die Erkenntnis: Ausnahmen seien "fachlich nicht begründbar".

Das Impfzertifikat soll die Erfassung von Impfwirkung, Spätfolgen etc. ermöglichen, nicht die Grundlage für Kategorien und Vorrechte sein.

Corona-Krisenstab am 5. März 2021

Laut WHO sprächen auch ethische Gründe dagegen. Doch Mitte September 2021 wurde die 3G-Regel (geimpft, genesen, getestet) in den Katalog der besonderen Schutzmaßnahmen gegen die Verbreitung des Coronavirus aufgenommen und ist mittlerweile im Infektionsschutzgesetz geregelt.
Nach einer Corona-Infektion können langfristige Beschwerden auftreten.10.03.2023 | 32:23 min

Weitere Klage für mehr Transparenz

Die veröffentlichten Protokolle enden im April 2021, da sich die "Multipolar"-Klage auf den Zeitraum von Januar 2020 bis April 2021 bezog. In der aktuellen Form sind zahlreiche Passagen unkenntlich gemacht. Dazu lieferte das RKI ein 1.000-seitiges Dokument, dass die Schwärzungen rechtfertigen soll. 
Am 6. Mai 2024 zieht "Multipolar" vor das Berliner Verwaltungsgericht, um eine vollständige Protokolleinsicht ohne Schwärzungen zu erwirken.
Britta Spiekermann ist Korrespondentin im ZDF-Hauptstadtstudio.
Anmerkung der Redaktion, 24. März 2024: Der Text wurde aktualisiert. In der Passage zur Risikobewertung durch das RKI wurde zum besseren Verständnis die entsprechende Stelle im Protokoll als Bild eingefügt und eingeordnet. Zur Einschätzung der Lage im März 2020 werden nun außerdem die absoluten Fallzahlen genannt, zuvor war dort die Positivquote der Testungen in Deutschland angegeben.
Anmerkung der Redaktion, 25. März 2024: Der Text wurde aktualisiert und um die Aussage des Bundesgesundheitsministeriums ergänzt. Laut BMG handelt es sich bei einem geschwärzten Namen um einen Mitarbeiter des RKI. 

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