Bundeswehr übernimmt Führungsrolle beim Aufmarsch gegen Russland
Von Christoph Vandreier
30. April 2016
75 Jahre nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941, in dessen Folge bis zu 40 Millionen Sowjetbürger ums Leben kamen, plant die Bundesregierung die Stationierung permanenter Führungsstrukturen und weiterer Bundeswehrsoldaten an der Grenze zu Russland.
Am Donnerstag berichtete die Süddeutsche Zeitung von Plänen der Bundesregierung, Truppen der deutschen Armee nach Litauen zu verlegen. In dem Land könnte dem Bericht zufolge ein ganzes Bataillon der Nato unter deutscher Führung stationiert werden. Ähnliche Initiativen des Militärbündnisses seien in anderen osteuropäischen Mitgliedsländern geplant.
Ein Regierungssprecher sagte der Zeitung, dass mehrere Alliierte derzeit „eine Verstärkung des Engagements im Rahmen der Rückversicherung der östlichen Bündnispartner und der Bündnisverteidigung“ prüften. Diese Prüfung nehme „entsprechend der veränderten europäischen Sicherheitslage insbesondere die Sicherheitsbedürfnisse Polens und der baltischen Staaten auf“.
Spiegel Online zufolge hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel schon auf dem G5-Gipfel am Montag eine deutsche Beteiligung an den Nato-Plänen zugesagt. US-Präsident Barack Obama hatte Deutschland und Großbritannien zuvor zu einem größeren militärischen Engagement gegen Russland aufgefordert.
Die Website berichtet weiter, dass in den baltischen Staaten sowie Polen und Rumänien Nato-Bataillone mit jeweils bis zu 1.000 Soldaten stationiert werden sollen. Die Bundeswehr könnte sich daran mit einer Kompanie von 100 bis 250 Mann beteiligen.
Sollten diese Pläne in die Tat umgesetzt werden, würden erstmalig permanente Führungsstrukturen der westlichen Nato-Staaten an der Grenze zu Russland installiert. Bisher hatten sich die imperialistischen Mächte darauf beschränkt, Truppen zeitweilig in den osteuropäischen Länder zu stationieren und dort Manöver durchzuführen.
Das Vorhaben verstößt damit gegen die Nato-Russland-Grundakte von 1997, in der die Nato weitgehend ausschließt, „zusätzlich substantielle Kampftruppen dauerhaft“ in den ehemaligen Warschauer-Pakt-Staaten zu stationieren. Daran ändert sich auch nichts, wenn die einzelnen Truppen der konzertierten Aktion rotieren. Das ist offenbar geplant, um die Grundakte nicht offiziell aufkündigen zu müssen.
Der offensive Einsatz soll dem deutschen Verteidigungsministerium zufolge auf dem nächsten Nato-Gipfel am 8. und 9. Juli in Warschau beschlossen werden. Dort soll diskutiert werden, wie die Nato-Truppen noch effektiver gegen Russland in Stellung gebracht werden können.
Der Präsident der Bundesakademie für Sicherheitspolitik, Karl-Heinz Kamp, schreibt in einem Arbeitspapier zu dem Gipfel, dass dieser die „immer wieder definierten Fähigkeitslücken der Nato“ in Osteuropa schließen müsse. Insbesondere müsse die Reaktionszeit der Truppen erhöht werden. Die „weniger als 5.000 Mann umfassende schnelle Eingreiftruppe“ sei den russischen Truppen „im Ernstfall nicht gewachsen“.
Angesichts der Konfrontation mit Russland empfiehlt Kamp auch einen „neuen nuklearstrategischen Konsens“ im Bündnis. Weil Russland in Bezug auf konventionelle Waffen unterlegen sei, werde es schwieriger, das Land durch Atomwaffen abzuschrecken, „wobei die Gefahr einer nuklearen Kurzschlussreaktion der russischen Führung stets gegeben ist“. Von einer atomwaffenfreien Welt müsse man sich verabschieden, so Kamp, und stattdessen in kürzere Reaktionszeiten amerikanischer Atombomben investieren sowie die „Übungstätigkeit im Nuklearbereich“ verstärken.
Die Bundesakademie untersteht direkt dem Bundessicherheitsrat. Wenn Kamp als deren Präsident eine atomare Aufrüstung fordert, reflektiert das Diskussionen in den obersten Führungsgremien des Landes. Die Pläne der Bundesregierung stehen in direktem Zusammenhang mit solchen Debatten und stellen eine enorme Eskalation der Konfrontation mit Russland dar, die unkalkulierbare Folgen hat.
Die Vorhaben liegen auf der Linie, die der designierte Nato-Oberkommandierende für Europa, Curtis Scaparrotti, in den letzten Wochen vorgegeben hat. Dieser hatte ein hartes Vorgehen gegen Russland und die Stationierung einer Panzerbrigade mit ca. 4.500 Soldaten an der Grenze Russlands gefordert. „Wir sollten uns ihnen entgegenstellen und klar machen, was akzeptabel ist und was nicht“, sagte der General. „Wenn wir das klargemacht haben, müssen wir es auch durchsetzen.“
Diese Pläne sind der vorläufige Gipfel einer Strategie, die die Nato seit einigen Jahren verfolgt. Deutschland und die Vereinigten Staaten spielten von Anfang an die zentrale Rolle dabei. Zunächst haben sie Anfang 2014 den rechten Putsch in der Ukraine unterstützt, der den Einfluss Russlands auf das Land brechen und es unter westliche Kontrolle bringen sollte.
Im gleichen Jahr beschloss die Nato auf dem Gipfel von Wales die Schaffung einer Einsatzgruppe mit sehr hoher Einsatzbereitschaft (VJTF) von 5.000 Mann, die in kürzester Zeit gegen Russland einsatzbereit sein soll. Deutschland will über die Hälfte der Soldaten dieser Einheit stellen. Zusammen mit den geplanten Stationierungen stünden also 10.000 hochgerüstete Soldaten bereit, um in kürzester Zeit gegen Russland eingesetzt werden zu können, davon etwa 3.000 aus Deutschland.
Die westliche Aggression hat die Welt nahe an einen Dritten Weltkrieg gebracht. Es kommt schon jetzt immer wieder zu ernsten Zwischenfällen zwischen Nato-Truppen und russischem Militär, die in einen umfassenden Konflikt münden können. Zuletzt schickte Russland am 12. April einen Kampfjet und einen Helikopter gegen einen Zerstörer der US-Marine, der Militärübungen in der Ostsee nahe Kaliningrad durchgeführt hatte.
Am Mittwoch begannen gemeinsame Manöver der estländischen Streitkräfte mit den US-amerikanischen Truppen, die im Land stationiert sind. Unter anderem wurde dabei die „überraschende Mobilmachung“ geübt. Auch in Georgien sind Militärexperten der USA und der Nato eingetroffen, um gemeinsame Manöver vorzubereiten. Insgesamt sind in diesem Jahr 21 Manöver mit 5.500 Soldaten geplant oder haben schon stattgefunden. Im letzten Jahr waren es noch 16 Manöver mit 5.000 Soldaten.
Auch die Kämpfe in der Ostukraine, wo prorussische Separatisten gegen Regierungstruppen kämpfen, flammen erneut auf. Am Donnerstag meldete der Leiter der OSZE-Beobachtermission, Ertugrul Apakan, „die höchste Zahl an Verstößen seit Monaten“. Dabei kämen auch schwere Waffen zum Einsatz. Scaparrotti hatte bereits gefordert, der ukrainischen Regierung Waffen zu liefern, um sie im Kampf gegen die Rebellen zu unterstützen.
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