dinsdag 7 juni 2016

Exodus von „biblischem Ausmaß“

Italien erwartet Exodus von „biblischem Ausmaß“ aus Afrika 

Die Regierung in Kenia hat große Flüchtlingslager geschlossen. Libyen will die Migranten und Flüchtlinge nicht aufnehmen. Afrika selbst ist bereits völlig überfordert. Für viele Menschen ist der Weg nach Europa die letzte Hoffnung. Die italienische Zeitung Il Giornale spricht von einem „Exodus biblischen Ausmaßes“, der im Sommer einsetzen könnte. 
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Das Mittelmeer ist für viele Flüchtlinge und Migranten der einzige Weg der Hoffnung. (Foto: Google Earth)
Das Mittelmeer ist für viele Flüchtlinge und Migranten der einzige Weg der Hoffnung. (Foto: Google Earth)
Lkws, die eine illegale Flüchtlingswelle von der sudanesisch-libyschen Grenze transportieren. (Foto: dpa)
LKWs, die illegale Migranten von der sudanesisch-libyschen Grenze transportieren. (Foto: dpa)
Während die EU hofft, durch einen Deal mit der Türkei das Flüchtlingsproblem zu lösen, wird in Europa eine sich abzeichnende, neue Flüchtlings- und Migrationsbewegung aus Afrika übersehen, urteilt Martin Berger in einer Analyse von New Eastern Outlook. Diese Haltung könne dadurch erklärt werden, dass die meisten Flüchtlinge, die bisher über die Türkei und Griechenland in die EU eingereist sind, hauptsächlich nach Nordeuropa wollten und Großbritannien, Deutschland sowie Skandinavien als Zielländer hatten. So seien im vergangenen Jahr über 900.000 Flüchtlinge und Migranten über diese gereist und viele von ihnen seien in die Zielländer nach Nordeuropa gezogen. Die Eindämmung dieser Route hat für die betroffenen Staaten oberste Priorität. Alleine Deutschland wird nach Angaben des Bundesfinanzministeriums bis 2020 über 93 Milliarden Euro für die Flüchtlinge ausgeben müssen.
Doch in Südeuropa sieht die Wahrnehmung anders aus. Die Regierung in Italien begreift, dass eine Migrations- und Flüchtlingswelle aus Afrika die Wirtschaft Italiens kollabieren lassen würde. Dasselbe gilt nach Ansicht von Berger für die anderen EU-Staaten am Mittelmeer. Doch dieser Umstand werde von Deutschland und Großbritannien ignoriert. Europäische Gesundheits-Analysten warnen davor, dass mit den Migranten aus Afrika auch Krankheiten wie HIV, Cholera oder Tuberkulose nach Europa getragen werden könnten. Zumindest besteht dafür ein erhöhtes Risiko, berichtet The Daily Mail. Deshalb müsse die EU darauf setzen, bei den Ankömmlingen Gesundheitschecks vorzunehmen.
Die italienische Zeitung Il Giornale berichtet, dass im August und September mit mindestens einer halben Million Migranten aus Kenia zu rechnen sei, die über das Mittelmeer reisen und an den Küsten Italiens stranden werden. Dabei gehe es um einen „Exodus biblischen Ausmaßes“.
Die Sorge wurde von einer Mitteilung des ugandischen Außenminister Kahamba Kutesa geläutet, der zuvor diese Auswanderungswelle aus Kenia angekündigt hatte.Die UN-Flüchtlingsorganisation UNHCR bestätigte Kutesas Warnung.Denn Kenia will auf seinem Territorium zwei Flüchtlingslager schließen, berichtet die Washington Post. Die Regierung Kenias hat vergangene Woche die Schließung des größten Flüchtlingslagers der Welt in Dadaab bis spätestens November angekündigt. Es sei eine endgültige Entscheidung, sagte Innenminister Joseph Nkaissery.
Ein UNHCR-Sprecher sagte am Mittwoch, diese Entscheidung sei „nicht menschenwürdig“ oder „praktisch umsetzbar“. In Dadaab im Osten des Landes leben nach UN-Angaben mehr als 340 000 Menschen. Mehr als 90 Prozent von ihnen stammen aus dem benachbarten Krisenstaat Somalia. Die geplanten Schließungen würden zu einer massiven Auswanderungswelle in die Staaten des Mittelmeers führen. Jene Länder, vor allem Italien, können die Ankunft von einem absoluten Minimum von 600.000 Menschen erwarten. Beispielsweise gibt es mehr als 220.000 Flüchtlinge allein im kenianischen Flüchtlingslager Kakuma. Die meisten dieser Menschen stammen aus dem Südsudan.
Die kenianische Menschenrechtskommission hat Klage gegen die geplante Schließung des Flüchtlingslagers Dadaab eingelegt. Die Regierung in Nairobi will das mit 350.000 Menschen weltgrößte Flüchtlingslager aus Sicherheitsgründen schließen und die Menschen – die meisten von ihnen Somalier – in ihre bürgerkriegsversehrte Heimat zurückschicken. Dort würden die Flüchtlinge verfolgt und seien in Gefahr, schrieb die Menschenrechtskommission in ihrer am Montag veröffentlichten Klageschrift.
Sobald die Lager geschlossen werden, sollen nach Angaben von Flüchtlings-Analysten zahlreiche dieser Menschen nach Libyen und dann nach Europa ziehen. Libyen hat bereits vorsorglich erklärt, für einen Deal mit der EU nicht zur Verfügung zu stehen. Die EU müsse selbst sehen, wie sie die Flüchtlinge wieder in ihre Heimatländer schicken kann.
Unter jenen, die sich auf die Reise machen wollen, sollen sich auch Dutzende von militanten Personen befinden, berichtet Swahili Hub. Kenia soll sich zwar dieser Tatsache bewusst sein, doch das Land ist froh, sich der Flüchtlinge zu entledigen, so Berger. Der UNHCR zufolge soll es in Afrika etwa 15 Millionen Flüchtlinge geben. Etwa 100.00 dieser Flüchtlinge haben im vergangenen Jahr Europa erreicht. Die zentrale Mittelmeer-Migrationsroute wird von Menschen aus drei Staaten genutzt: Eritrea, Sudan und Nigeria. Eritrea gilt als das autoritärste Regime der Welt. Der Sudan ist zerrüttet von zahlreichen Konflikten. Im Nordosten von Nigeria hat die Terror-Miliz Boko Haram etwa zwei Millionen Menschen dazu gezwungen, zu flüchten. In naher Zukunft können wir Augenzeugen von einer wachsenden Zahl von Flüchtlingen aus der Zentralafrikanischen Republik, Mali, Kongo-Kinshasa, Gambia und anderen afrikanischen Ländern werden, da die Situation in diesen Ländern angespannt ist.
Berger stellt fest, dass Afrika, das keineswegs ein reicher Kontinent ist, aktuell den weltweit größten Anteil an Flüchtlingen beherbergt.Beispielsweise werden in Nigeria über 2,5 Millionen Flüchtlinge betreut. Ein weiteres Land mit einer beträchtlichen Anzahl von Flüchtlingen ist Kongo-Kinshasa, wo es 1,5 Millionen Flüchtlinge gibt, während eine halbe Million Kongolesen Zuflucht in den Nachbarstaaten finden. Äthiopien, Sudan und Kenia nehmen Flüchtlinge aus dem Südsudan auf. In Somalia gibt es über eine Million Binnenflüchtlinge, so die UNHCR.
Um dieser gesamten Situation zu begegnen, schlug der italienische Premier Matteo Renzi vor, mit den afrikanischen Staaten ein Abkommen abzuschließen, das dem Deal mit der Türkei ähnelt. Große Summen an Geldern sollen im Austausch für die Eindämmung der Flüchtlingsströme gezahlt werden.
In dem Brief, den Renzi an die EU-Kommission gesendet hat, macht der Premier mehrere Vorschläge, die auf den Schutz der EU-Außengrenzen, die Rückführung von Flüchtlingen und die Erfassung von „Wirtschaftsflüchtlingen“ eingehen. Zudem sollen „Filtrationslager“ in Afrika gegründet und bestimmten afrikanischen Staaten Finanzhilfen zugebilligt werden. Obwohl Renzi keine konkret ausgefertigten Vorschläge vorlegen konnte, wird deutlich, dass es um Milliarden von Euros geht, die von der EU ausgegeben werden müssten. Es müsste auch geklärt werden, wie die Lastenverteilung innerhalb der EU aussehen würde. Allerdings wird bereits deutlich, dass Renzi mit erheblichen Einwänden innerhalb der EU zu kämpfen hätte, da Deutschland die Idee zusätzlicher Kosten ablehnt. Renzi hatte auch die Einführung von „Flüchtlings-Euro-Anleihen“ gefordert, um das Flüchtlingsproblem zu lösen. Doch diesen Vorschlag lehnte die Bundesregierung ab.
Internationale Menschenrechtsorganisationen lehnen mögliche EU-Finanzierungen von totalitären Regimen in Afrika ebenfalls ab. Aktuell profitieren die korrupten afrikanische Regime ohnehin schon von Entwicklungshilfen, die ihnen von europäischen Staaten zur Verfügung gestellt werden. Internationale Kredite und Finanzhilfen versickern in großen Teilen in dunklen Kanälen der afrikanischen Eliten. Die Bürger profitieren nicht davon.
Bisher deutet alles darauf hin, dass die EU auf den neuen Flüchtlingsstrom aus Afrika nicht vorbereitet ist und keine Ahnung hat, wie sie damit umgehen soll. Auch die Ursachen kann die EU nicht wirklich bekämpfen: Zahlreiche regionale Kriege werden durch geopolitische Interessen angeheizt und wären nur durch ein militärisches Eingreifen zu stoppen – doch die EU hat keine Armee und muss daher die Folgen der Interessenspolitik der Großmächte trage. Die kommenden Monate werden eine ernste Herausforderung für die EU als Ganzes und für die einzelnen EU-Mitgliedsstaaten darstellen, schriebt Berger im New Eastern Outlook
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